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Kurzgefasst: die DOS/V-Computer
1991-heute   (Japan)



ein Sega Teradrive mit CPU Intel 80286 / 10MHz von 1990/1991 (Foto © Sega, aus dem Originalprospekt),
einer der ersten DOS/V-PC und zugleich ein Exot unter ihnen, denn er enthält zusätzlich eine CPU Motorola 68000, so dass auch Sega Computerspiele darauf laufen können!

Die "DOS/V-Computer" sind eigentlich gar keine eigene PC-Familie, sondern hardware-mäßig gesehen "normale" PC, die auch "Industriestandard-PC", "IBM-kompatibler Computer" oder "PC/AT-kompatibler Computer" genannt werden (in Japan: PC/AT互換機 pī-shī-ei-tī-go-kan-ki" = PC/AT-kompatibel-Gerät). Das Besondere an einem DOS/V-Computer ist nur das darauf installierte japanische Betriebssystem: ursprünglich war dies "DOS/V" und setzte als Mindestausstattung eine CPU 80286, 2 MiB RAM und eine VGA-Grafikkarte voraus. Später wurde DOS/V durch spezielle japanische Windows-Varianten ersetzt - so gab es z.B. von Windows XP auch eine Variante "japanisches Windows XP": dieses unterstützte japanische Texteingaben ebenso wie DOS/V standardmäßig (auch) noch im inzwischen veralteten Shift/JIS-Code - die moderneren Windows-Versionen nutzen allerdings praktisch nur noch Unicode, auch für Japanisch. Wenn man in Japan heute noch jemanden DOS/V-Computer (in Japan: DOS/V機 dosu-vui-ki = "DOS/V-Gerät") sagen hört, ist das reine Nostalgie - inzwischen hat sich auch in Japan für die "DOS/V-Computer" mangels Verwechslungsgefahr die schlichte Bezeichnung "PC" (in Japan: "pī-shī" oder "pasokon") weitgehend durchgesetzt.

Man beachte, dass japanische Applikationen für DOS/V-Computer auf keiner anderen PC-Familie laufen, auch wenn diese Japanisch unterstützt. Sie laufen auch nicht auf normalen PC/AT-kompatiblen Computern, wenn darauf ein Betriebssystem installiert ist, das Japanisch noch nicht unterstützt.

Zur Geschichte von DOS/V und der von DOS/V verdrängten PC-9800-Familie:

Bis 1991 waren Industriestandard-PC in Japan nur marginal vorhanden, mit einem Marktanteil irgendwo zwischen 1% und 4%, da sie für Japanisch faktisch untauglich waren. Sie waren auf den Nischenmarkt der Büros von nicht-japanischen Firmen und sonstigen Ausländern beschränkt - und selbst unter diesen potentiellen Kunden zogen viele "bimodale" Geräte vor (damit sind spezielle PC gemeint, die zwischen einem nicht-Japanisch-könnenden IBM-kompatiblen Modus und einem nicht-IBM-kompatiblen japanischen Modus hin- und herschalten konnten). Solche Geräte gab es zunächst nur vereinzelt, z.B. die Toshiba "J3100-Serie" und die IBM "PS/55-Serie", und dann in einer Multi-Hersteller-Initiative auch die ebenfalls bimodalen "AX-Computer" (ab 1988 als teure "Prototypen", ab Frühjahr 1990 dann auch zu zivilen Preisen). Damals wurde von Microsoft für die meisten japanischen PC-Familien fast zeitgleich mit den Industriestandard-PC von jeder neuen Windows-Version (Win 2.1, Win 3.1, Win 95) auch eine an die jeweilige PC-Familie speziell angepasste Version angeboten, doch das konnte den Untergang der japanischen PC-Familien nicht aufhalten:

Ende 1990 wurde das japanische DOS/V-Betriebssystems verfügbar, das Ergebnis einer auf Japan beschränkten Kooperation zwischen Microsoft Japan und IBM Japan. DOS/V war das erste DOS, das die Verwendung von Japanisch auf einem PC ganz ohne spezielle Hardware-Unterstützung und ohne eine spezielle Tastatur erlaubte: der Zeichengenerator für etwa 7200 verschiedene Schriftzeichen und auch ein mehr-als-50000-Wörter-Dictionary, das bei der Japanisch-Eingabe via Tastatur eine wichtige Rolle spielt, war plötzlich als Software ein Bestandteil des Betriebssystems geworden. Und Microsoft Japan hatte dafür gesorgt, dass auch "Microsoft Office für DOS/V" von Anfang an für die Kunden zur Verfügung stand, ebenso wie "Ichitarô" von JustSystems - der vormals meistverbreitete japanische Texteditor.

Im Bundle mit DOS/V begannen ab 1991 preiswerte im Ausland produzierte Industriestandard-PC in den japanischen Markt einzudringen. Da die "DOS/V-Computer" die ersten Industriestandard-PC waren, die sich in Japan verbreiteten, werden sie dort bis heute manchmal noch so genannt - obwohl auf ihnen schon lange nicht mehr das DOS/V-Betriebssystem, sondern eine moderne Windows-Variante installiert ist.

Aufgrund ihrer niedrigeren Preise übernahmen die "DOS/V-Computer" ab 1992 immer größere Teile des japanischen PC-Markts, und die kleineren japanischen PC-Hersteller gaben einer nach dem anderen ihre eigenen PC-Linien auf und begannen, ebenfalls DOS/V-Computer zu produzieren. Nur drei Jahre danach, im Jahre 1995, überstieg in Japan bei PC-Neukäufen der Marktanteil aller DOS/V-Computer zusammen erstmals den des bisherigen Marktführers NEC mit seiner PC-9800-Familie!

Ende 1997 beschloss NEC schließlich, wie die anderen japanischen Computerhersteller ihre eigene japanische PC-Linie aufzugeben und begann ab 1998 ebenfalls mit der Produktion von Industriestandard-kompatiblen "DOS/V-Computern", die sie verwirrenderweise PC-98NX ("next generation") nannten.

Natürlich konnte NEC aber die Produktion der PC-9800-Computer nicht schlagartig beenden - zu viele Verwaltungen, Industrien und Unternehmen hingen mit ihrer PC-9800-spezifischen Software von der Verfügbarkeit von PC-9800-Ersatzgeräten ab. Bis zum Jahr 2000 hat NEC dann noch neue, immer schnellere PC-9800-Modelle herausgebracht, und diese dann noch jahrelang weiterproduziert, bis zur bereits 1997 angekündigten, endgültigen Einstellung der PC-9800-Familie im September 2003.


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