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Die verpasste Chance - die unterbliebene Migration vom QL zum Sharp X68000
- Meine Sicht der damaligen Chancen -

Hier ist nicht die Rede von den (sattsam bekannten) verpassten Chancen der damaligen Firma Sinclair, sondern von etwas, das nach dem "Untergang" der Firma Sinclair im Zeitraum von 1987 bis Anfang der 90er Jahre hinein hätte passieren können, aber leider nicht geschehen ist, obwohl es - schon damals vorhersehbar - Computergeschichte hätte umschreiben können.

Der Sinclair QL,
(1984-1986, Techn. Spez., Modelle-Übersicht)
war von Anfang an mit einem super-fortschrittlichen Betriebssystem und der echt brauchbaren Business-Suite (heute würde man "Office-Paket" sagen) von Psion ausgestattet. Andererseits hatte er von Anfang an das Image einer "wenig verlässlichen" bzw. "nicht so recht professionellen" Hardware, im wesentlichen (zu Unrecht) wegen seiner vielgeschmähten eingebauten Microdrive-Laufwerke, und obendrein blieb das Angebot der QL-Spiele lange relativ mager, da er nur maximal 8 Farben auf seinem Bildschirm darstellen konnte. Aus diesen Gründen blieben ihm viele potentielle Benutzer fern - sowohl diejenigen, die ein professionelles und verlässliches Arbeitsgerät suchten, als auch die "Spieler".
Beim japanischen Sharp X68000
(1987-1995, Technische Spezifikation, Modellübersicht),
in technischer Hinsicht ein naher Verwandter des QL, lagen die Verhältnisse gewissermassen andersherum: er besaß von Anfang an die "gediegene" Hardware, die man vom Elektronikkonzern Sharp erwarten konnte, mit damals fortschrittlichster Graphik und Super-Sound, seine Basis-Software war aber altbachen: ROM-gestütztes normales BASIC, ein DOS-ähnliches Betriebssystem, kein Multitasking, kein Office-Paket. Allerdings wurden für den X68000 sehr viele Videogames angeboten, teils Portierungen bekannter Arkadenspiele, teils Neuentwicklungen - der X68000 war über viele Jahre hinweg weltweit die beste Game-Maschine, die man überhaupt haben konnte !
Zwar wurde der X68000 mit Maus und GUI ausgeliefert, jedoch fehlten die professionellen Anwendungen für Business-Anwender weitgehend - und die spärlichen Anwendungen, die nach und nach auftauchten, mussten die Benutzer teuer kaufen. Und so blieben - sozusagen aus genau den entgegengesetzten Gründen wie beim Sinclair QL - auch dem X68000 viele potentielle Benutzer fern - insbesondere alle professionellen Anwender bzw. "Office-Anwender".
Die Chance:
Wäre QDOS und/oder SMSQ/E Ende der 80er Jahre als alternatives Betriebssystem auf den X68000 portiert worden, hätte einerseits die "QL-Gemeinde" eine super-attraktive QL-Nachfolger-Hardware zur Verfügung gehabt, und obendrein Hunderte von allerfeinsten Spielen zusätzlich. Und andererseits hätte die Firma Sharp für ihr Produkt ein interessantes alternatives Betriebssystem anbieten können, mit dem der X68000 in der ganzen Welt Käufer gefunden hätte, nebst diversen Entwicklungssystemen für SuperBASIC, C, PASCAL, FORTH, LISP etc. vor allem ein gutes Business Software Paket - nämlich das von Psion, und dieses wiederum hätte man auf einem X68000 auch leicht an Japanisch anpassen können, um auch die Business-treibenden Japaner für diese Computerfamilie zu begeistern - die Fonts für Japanisch sind beim X68000 bereits im ROM enthalten, sogar in zwei verschiedenen Auflösungen!

Tatsächlich hat auch die Firma Sharp - allerdings viel zu spät - noch in diese Richtung gedacht: als schließlich Videospiel-Konsolen mit halbwegs vergleichbarer Graphik und deutlich niedrigerem Preis auftauchten und es daraufhin mit den Verkaufszahlen des bis dahin leider nur im Gamer-Markt hochbegehrten X68000 bergab ging, ließ Sharp noch schnell das multitaskende OS/9 auf den X68000 portieren, jedoch kam dieser Schachzug zu spät, um das bereits angeschlagene Geschäft noch wesentlich zu beeinflussen - obendrein waren viele OS/9-Applikationen eher in hohen Preislagen zu finden und für die meisten potentiellen X68000-Käufer daher ohnehin nicht attraktiv. Die Produktion des X68000 (und X68030) wurde schließlich im Jahre 1995 eingestellt.

Eine Portierung des QDOS (oder SMSQ/E) auf den X68000 hätte mir natürlich schon allein deswegen gefallen, weil es den X68000 auch in schwarz gibt, aber - Scherz beiseite - auch von den technischen Voraussetzungen her hätte sich der X68000 optimal für ein solches Vorhaben geeignet: er ist bis auf das entbehrliche QLAN und die erst recht entbehrlichen Microdrives "von Natur aus" technisch beschaffen wie der "große Bruder" zum QL und kann z.B. rückwärtskompatibel alle QL-Graphikmodi 1:1 nachahmen, er wäre somit die ideale Nachfolge-Hardware gewesen:

Warum ich denke, dass sich der X68000 besonders gut als QL-Nachfolger geeignet hätte:
 Sinclair QLSharp X68000 ACE
CPUMotorola 68000-kompatibelMotorola 68000-kompatibel
Memorybis zu 1 MBbis zu 12 MB am Stück
VideoRAM & Systembereichein den ersten 128 KBhinter den ersten 12 MB *
Graphik-Modi256 x 256 (8 Farben)
512 x 256 (4 Farben)



256 x 256 (65536, 256 oder 16 Farben aus Palette)
512 x 256 (65536, 256 oder 16 Farben aus Palette)
512 x 512 (65536, 256 oder 16 Farben aus Palette)
768 x 512 (16 Farben aus Palette)
virtuell 1024 x 1024 (16 Farben aus Palette)
serielle Schnittstelle2 Stück, aber nur eine davon wirklich nutzbar2 Stück, aber eine für die Maus reserviert
Joystick-Anschlüsse2 Stück2 Stück (steckerkompatibel mit dem deutschen QL)
Funktionstasten5 Stück10 Stück
NetzwerkQLAN (entbehrlich)optionale Ethernet-Karte erhältlich; das originale QLAN könnte
evtl. per Bastelei + Programmierung angeschlossen werden
Sinclair-LaufwerkeMicrodrives (entbehrlich) (diese Bastelei lohnt sich nicht mehr,
seit keine Microdrive-Cartridges mehr hergestellt werden)
alles Übrige-vorhanden, vorhanden, vorhanden ... !

*: Der X68000 kann eine Hardwaresperre "Area-Set" z.B. über die ersten 128 KB RAM legen, so dass jeder Zugriff darauf einen Supervisor Call auslöst - auf diese Weise könnten alle auf den QL gemünzten Systemport-, BIOS- und VideoRAM-Zugriffe elegant und hardware-unterstützt abgefangen werden !

Hier ein Preisvergleich zwischen Sinclair QL und Sharp X68000, der sich an meinen damaligen tatsächlichen Käufen orientiert, mit ungefähren umgerechneten Preisangaben: tatsächlich habe ich für meinen ersten QL und für meinen ersten X68000 - dreieinhalb Jahre später - inklusive der jeweiligen "Extras" (für beide Computer hätte es auch preiswertere Monitore gegeben) jeweils etwa gleich viel bezahlt ! Sehen Sie selbst:
Preisvergleich:Sinclair QL, schwarzSharp X68000 ACE, schwarz
gekauft Oktober 1984 - März 1985gekauft April 1988
Computer selbst68008 / 7.5MHzca. 800 Euro68000 / 10MHzca. 1400 Euro
ROM-Speicher48 KBinklusive128 KB + 768 KB (für japanische Fonts)inklusive
Videospeicher32 KB (512x256 / 4 Farben)inklusive2x 512 KB (z.B. 512x512 / 65536 Farben)inklusive
Arbeitsspeicher96 KB, dazu eine 512 KB Erweiterungca. 200 Euro1024 KB schon ohne Erweiterunginklusive
Tastatur65 Tasten, Tastatur im Computer integriertinklusive133 Tasten, externe Tastaturinklusive
Mausgab es noch nicht am QLFEHLTMaus, auch als Trackball nutzbarinklusive
Parallelschnittstellegab es noch nicht am QLFEHLTfür Druckeranschlussinklusive
Serielle Schnittstelle2x RS232C, nicht unabhängiginklusive1x RS232C, HDLC-fähig bis 1.5Mbpsinklusive
JoystickanschlEse2x Atari-kompatibelinklusive2x Atari-kompatibel (wie am dt. QL)inklusive
Harddiskcontrollergab es noch nicht am QLFEHLTfür SASI-Festplatteninklusive
Floppycontrollerfür DD-Formatca. 150 Eurofür HD-Formatinklusive
Floppylaufwerke2 DD-Laufwerke (je 720 KB), externca. 350 Euro2 HD-Laufwerke (je 1232 KB), integriertinklusive
hochwertigen Soundgab es noch nicht am QLFEHLTFM-Sound stereo, PCM-Sound monoinklusive
RGB-FarbmonitorDigital-RGB (8 Farben)ca. 450 EuroAnalog-RGB (beliebige Farben)ca. 530 Euro
TV-Tuner (eingebaut)gab es damals nur in Fernsehern, ohne RGBFEHLTNTSC-System, IR-Fernbedienunginklusive
Summeohne alle die "FEHLT":ca. 1950 Euro *mit Allem hier genannten:ca. 1930 Euro *

*: Der Preis für den Sinclair QL sank in der Folgezeit erheblich (bis er im Sommer 1986 für ca. 250 Euro "verramscht" wurde), dies galt jedoch nicht für die Kosten der anderen Komponenten, die sehr viel langsamer sanken. Der Sharp X68000 war ab März 1987 verfügbar - wobei seinem anfangs hohen Listenpreis von etwa 2000 Euro (ohne Monitor) zum Trotz der Ladenpreis innerhalb einiger Monate auf das hier genannte Ladenpreis-Niveau gesunken war. Wenn man die vielen "FEHLT" in der Liste mit berücksichtigt, erkennt man schnell, dass ein Sharp X68000 keineswegs teurer war !

Im Jahre 1989 (in meinem "Brief aus Japan" im Heft 21 von "QUASAR", der damaligen deutschen QL-User-Club-Zeitschrift) habe ich schon einmal - mehrere Seiten lang - über den Sharp X68000 informiert und das Angebot gemacht, bei der Beschaffung von noch genaueren technischen Informationen über den X68000 behilflich zu sein - bis heute kam dazu keine einzige Anfrage (weder zum Artikel selbst noch zu meinem damaligen Angebot), mein Artikel blieb damals ähnlich unbeachtet wie jetzt mein inzwischen nostalgischer Artikel über die "verpasste Chance" ...

Ich sage nur: Schade, damals ist eine große Chance verpasst worden, von der japanischen Firma Sharp und ebenso von den europäischen QL- bzw. QDOS-Fans.


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